Empirische Erhebungen


Qualitative Methoden -- Expertengespräche

Eine spezielle Form unter den qualitativen Erhebungsinstrumenten ist das Expertengespräch. Dieses Instrument wird nur für eine bestimmte Zielgruppe eingesetzt, nämlich für Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit und ihres Wissens "Experten" in einem bestimmten Sachgebiet sind. Im Fokus des Expertengesprächs steht - anders als beim qualitativen Interview - nicht der Experte als Person, sondern das jeweilige Sachgebiet, über das er Auskunft geben kann. Wenn man z.B. die Situation von Jugendlichen in einer Stadt genauer analysieren möchte, dann gehören auch solche Aspekte, wie staatliche Jugendhilfe oder private Angebote von Vereinen usw. dazu. Um mehr über die Struktur solcher Angebote, über die Bedingungen, unter denen sie angeboten werden, über die Praxis und vor allem über ihre Wirkung herauszufinden, sind z.B. Expertengespräche mit Jugendamtsmitarbeitern, Sozialarbeitern oder Vereinsmitarbeitern erforderlich. Nur diese Personen können aufgrund ihrer Erfahrung genauer Auskunft über die jeweilige Quantität und Qualität des Angebots Auskunft geben.
Dazu werden persönliche Gespräche mit den Experten geführt, die dann per Tonband oder (sehr häufig) per Gedächtnisprotokoll festgehalten werden. Für die Strukturierung des Gesprächs und für die inhaltlichen Hauptfragen benutzt man einen sog. Gesprächsleitfaden. In diesem sind die wichtigsten Fragen sowie eventuell zu stellende Nachfragen notiert. Der Leitfaden für Expertengespräche ist i.d.R. stärker standardisiert als beim qualitativen Interview, bleibt aber grundsätzlich "offen", d.h. die genaue Frageformulierung hängt vom konkreten Gesprächsverlauf ab. Vorgegeben ist also nur ein Leitfaden, der die Richtung des Gesprächs und der Gesprächsinhalte beinhaltet. Das Ziel der Expertengespäche besteht darin, den Experten möglichst ausführlich über seine Erfahrungen und fachlichen Einschätzungen berichten zu lassen. Solche Interviews können je nach Thema durchaus bis zu mehreren Stunden dauern, für die meisten Zwecke reicht aber eine Dauer von 30 bis 90 Minuten.
Auch für Expertengespräche gilt, dass das Führen eines qualitativen Interviews eine Kunst für sich ist, denn man benötigt nicht nur die entsprechenden fachlichen Kenntnisse, sondern auch viel Erfahrung und vor allem das nötige „Fingerspitzengefühl“. Nicht jeder eignet sich daher zum Interviewer.
Das Gespräch wird anschließend protokolliert und liegt dann als Text vor. Die Auswertung besteht darin, die Interviews einer Textanalyse zu unterziehen. Bei Experteninterviews wird allerdings häufig darauf verzichtet, ein wörtliches Protokoll anzufertigen
Der Arbeitsaufwand dafür ist relativ hoch, da meist viel Text verarbeitet werden muss. Beispielsweise können 30 Interviews durchaus 500 Seiten Text erbringen, die mehrfach gelesen, codiert, sortiert, zugeordnet und interpretiert werden müssen. Es gibt zwar EDV-Software, die unterstützend herangezogen werden kann, die Hauptarbeit muss aber ein erfahrener Wissenschaftler leisten.

Quantitative Methoden

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